Sozialsprechstunde mit Ulrike Rosensky

Unsere Bezirksverordnete Ulrike Rosensky (Mitglied im Ausschuss für Soziales, Senior:innen und Gesundheit) ist für Sie ansprechbar.

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Im Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort

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Ort: Französisch Buchholz, entweder REWE Navarraplatz

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Veranstaltungen

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Apfelkuchen mit Zahnstocher

Veröffentlicht am 11.01.2021 in Deutschland

Das dringende politische Ziel der sog. Herdenimmunität, also die Immunisierung von 70 Prozent der Bevölkerung, wird mit derzeitigem Impftempo in Deutschland in sechs Jahren erreicht; sollten noch zusätzliche Auffrischungen z.B. nach jeweils einem Jahr nötig werden, noch wesentlich später. Israel hat derweil 20 Prozent seiner Bevölkerung geimpft, die USA, Großbritannien und Dänemark 2 Prozent und wir 0,6 Prozent, wohlgemerkt mit der ersten von zwei nötigen Dosen. Berlin bekommt rechnerisch statt über 20.000 lediglich rund 3.500 Dosen je Tag geliefert.

Sechs Jahre, das klingt so absurd und hoffnungs- und vertrauensvernichtend beängstigend, dass einige Zweifel an dieser Tatsache haben werden. Ich sehe es wie die Kanzlerin; so wenig, wie nach derzeitiger Kenntnis die Schwerkraft politisch abgeschafft werden kann, stehen die Grundregeln der Mathematik zur politischen Disposition. Die "Berliner Morgenpost" hat ein Tool bereitgestellt, das tages-, bundesland- und deutschlandscharf ermittelt – bis zu sechs Jahre Verzweiflung, Elend und Tote.

Rund 90 Millionen Infizierte und 2 Millionen Verstorbene weltweit – die hilfloseste Methode der Krisenbewältigung ist die soziale Distanzierung durch die schwerwiegendsten Einschränkungen unserer Grundrechte in der Geschichte der Bundesrepublik. Sie ist fehleranfällig und schon wegen der absehbaren Akzeptanzprobleme nicht dauerhaft erfolgversprechend. Die Parlamente werden hinterher viel aufzuarbeiten haben, vorzugswürdig in Enquetekommissionen.

Erfolgversprechende Methoden sind Impfungen zum Schutz vor Ansteckung oder Krankheit sowie Medikamente zu deren Heilung. Aufgrund einer Verabredung mit dem Bund haben die Länder die Infrastrukturvoraussetzung geschaffen. Berlin hat demgemäß sechs Impfzentren und mehr als 1.000 Helferinnen und Helfer aktiviert und ist seit Dezember 2020 in der Lage, am Tag mehr als 20.000 Impfungen zu verabreichen. Vom Bund geliefert, der andere Teil der Verabredung, werden pro Woche im Saldo ca. 25.000 Dosen, durchschnittlich etwa 3.500 am Tag, bis einschließlich Februar, ein Vielfaches weniger.

Die Impffrage wird die zentrale politische Frage Jahres 2021 sein, wichtiger als alle anderen mit oder ohne Pandemie-Bezug. Selbstverständlich ist wichtig, wann unsere Kinder zur Schule oder in die Kita gehen, wie wir unsere Wirtschaft und Kultur schützen und Eltern und Pflegende unterstützen. Sicher ist der Weg, eine Schnellteststrategie zu entwickeln richtig, insbesondere für die Schulfrage. Aber dies sind alles Fragen mit der Pandemie, nicht Fragen zu deren Beendigung.

Das ist die Faktenlage. Und die Grünen – sie wollen das Impfdesaster scheinbar hinnehmen und kritisieren die Kritiker. Es gibt aber Aufgaben, an denen darf man nicht verzweifeln oder taktieren, man muss den Herausforderungen allerdings auch gewachsen sein. Die weltweite Pandemiekrise ist die derzeit größte gesellschaftliche Herausforderung; ihre Bewältigung lässt wie nebenbei Zweifel daran erkennen, ob die Grünen einer solchen Verantwortung gewachsen sind.

Die wenigen Vorschläge, auf die sich die Grünen draufsetzen, sind Vorschläge mit der Pandemie. Es dürfte auf der Hand liegen, dass wir nicht sechs Jahre ohne Schule oder Kita steuern können, sechs Jahre mit überlasteten Krankenhäusern und zurückgestellten Operationen oder Behandlungen, sechs Jahre ohne Kultur und soziale Kontakte aber mit Massenarbeitslosigkeit, mit sozialer und gesellschaftlicher Spaltung, mit Übersterblichkeit oder mit Rücksicht auf grüne Impfgegner.

Politische Verantwortung bedeutet, im Zweifel tradierte Gepflogenheiten abzustreifen. Na klar, man sollte innerhalb einer Koalition die Partner nicht öffentlich kritisieren. Die eigene Profilierung muss insoweit zurückstehen. Das ist eine Gepflogenheit, die sich in der Nähe von Wahlauseinandersetzungen abschwächt. Je größer aber die Herausforderung, desto weniger kann Politik auf Eitelkeiten Rücksicht nehmen. Sechs Jahre Virusmutationen abzuwarten, ist keine ernsthafte Option, weder für Berlin noch für Deutschland oder weltweit.

Und wie werden nun die Grünen und CDU öffentlich wahrgenommen:

  1. Wer das Impfthema überhaupt nur anspricht, agiere nationalegoistisch. Der Vorwurf wird unmittelbar oder versteckt vorgetragen; nehmen wir uns mal die geschicktere Variante vor, das Bekenntnis zu "dieser europäischen Beschaffung". Das Bekenntnis für sich behauptet einerseits implizit und unzutreffend eine grundsätzliche SPD-Kritik an Europa. Andererseits umschließt das Bekenntnis durch die Wortwahl "dieser" statt z.B. "die" auch die Beschaffungsfehler, es wird also eine zu beweisende Behauptung als Erweiterung bereits in die Prämissen aufgenommen. In der Wissenschaft wird das schon von Aristoteles in der Topik behandelt und als versteckte petitio principii bezeichnet. Insgesamt wird diese Art Ablenkung "diversion" genannt und soll zu einer Verschiebung der Debatte führen, "mutatio controversiae".
  2. Es wird darauf verwiesen, es sei genug Impfstoff bestellt. Mal abgesehen davon, dass das bezogen auf Europa und Deutschland unstreitig ist, enthält diese These ähnliche Mechanismen wie gerade beschrieben. Hinzu tritt jedoch die Verschleierung des eigentlichen Themas, des Faktors Zeit. Etwa 4 Milliarden Impfdosen wurden weltweit bestellt, unter Einbeziehung sämtlicher Präparate, auch bisher nicht zugelassener und solcher, deren Verfügbarkeit erst in bis zu zwei Jahren erwartet wird. Damit könnten theoretisch ¼ der Weltbevölkerung immunisiert werden. Europa und Deutschland haben rechnerisch hinreichend bestellt, jedenfalls nachdem der Bundesgesundheitsminister von der europäischen Linie ausgebrochen nationalstaatlich nachgeordert hat. Das Problem ist nicht die Bestellung, sondern die zeitnahe Verfügbarkeit mit Blick auf die Produktionskapazitäten. Um Deutschland und Berlin innerhalb eines halben Jahres zu immunisieren, müsste die Produktion vervielfacht werden. Zudem ging die Pandemie von Patient 0 aus und hat mit Sicherheit mehr als 100 Millionen Menschen zu Infizierten gemacht. Zahlreiche auch besonders gefährliche Mutationen sind bekannt und in Deutschland angekommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir Resistenzen antreffen werden, von einer Mutation aus dem südlichen Afrika stand das bereits zu befürchten. Weder Europa noch Deutschland oder Berlin sollten dem mittelalterlichen Aberglauben aufsitzen, man könne sich in der Burg vor der Pest durch Hochziehen der Zugbrücke schützen.
  3. Es werden unlautere Motive unterstellt. Die SPD forciert ihre Kritik und ihre Vorschläge wahltaktisch. Durch die Kampfbegriffe wie "parteitaktisches Klein-Klein" oder "Spielchen" soll die Kritik zudem verniedlicht werden. Neuerdings tritt hinzu, es gehe um Vergesellschaftung von Patenten, zudem aus ideologischen Gründen. Noch besser "gefällt" mir die beinahe hilflose Verteidigung des Bundesgesundheitsministers, mehr zu bestellen sei zu teuer, zumal gar nicht absehbar gewesen sei, welches Präparat sich durchsetze. Auch dieser Trick ist längst wissenschaftlich u.a. als "argumentum ad personam" beschrieben.

Nun kommen wir aber mal zum grünen "Apfelkuchen mit Zahnstocher". Die Aufgabe sei also zu schwierig für die Industrienation Deutschland und dritte Weltkonzerne könnten bei der Herstellung der Impfstoffe nicht helfen, denn das seien ja keine Zahnstocher oder Apfelkuchen. Schon diese Art Wortwahl ist dem Ernst der Lage nicht angemessen. Wir reden hier über unsere Wirtschaft, drohende Massenarbeitslosigkeit und -Insolvenzen, zerstörte Lebensträume, soziale und gesamtgesellschaftliche Spaltung, über unsere Kitas und Schulen, die Kultur, unseren Sport, unsere Art, zu leben, über unsere Kinder und Großeltern, über den Respekt vor denen, die sich seit einem Jahr für uns alle aufopfern, über Millionen bedrohte Menschenleben. Und wir reden über offenkundiges Misstrauen der Grünen zum Impfen, in unsere Wirtschafts-, Wissenschaft- und Forschungskraft als darin jeweils weltweit führende Nation. Dem problementsprechenden Lösungsvorschlag der SPD, die Produktion der zugelassenen Impfstoffe, ggf. sogar noch nicht zugelassener Impfstoffe, wenn nötig unter Einbeziehung Dritter auszuweiten, begegnen die Grünen mit der CDU Hand in Hand mit Angst, Zögerlichkeit und Ablehnung. Als sei das alles nur ein Spiel redet das grüne Spitzenpersonal auf Bundes- und Landesebene wörtlich oder sinngemäß so daher. Zudem dürfe man Erfindern nichts auch nicht teilweise wegnehmen, indem man etwa in Lizenz produzieren ließe, ein abstruser grüner Einwand, die in Berlin 250.000 Wohnungen vergesellschaften wollen, aber beim Impfen und Leben retten ablehnen. Eigene Vorschläge, die Pandemie zu beenden, machen die Grünen keine.

Wie ist dem nun zu begegnen?

Argumentativ ist es ein Fehler, überhaupt diese Ablenkungsdebatten anzunehmen und zu führen. Jedenfalls ist immer hervorzuheben, dass selbst aus der etwaigen Wahrheit einzelner Gegenbehauptungen nicht die Falschheit der SPD-Vorschläge zur Ausweitung der Produktionskapazitäten folgen würde. Auch das ist wissenschaftlich längst ausgeleuchtet. Diese "negatio consequentiae" beschreibt schon Schopenhauer in seiner Eristische Dialektik. Wir müssen die Debatte von all den Nebelkerzen und dem ganzen Wortschwallgestrüpp befreien und auf den Kern führen, und zwar mittels des "argumentum ab utili", wie es Schopenhauer nennt, nämlich zur Motivfrage;

"Wollen Sie Jahre auf Ihre Impfung warten?".

Ich bin sehr stolz auf unsere SPD, denn es gibt eine taktische Verführung zuzuschauen nach dem Motto, dieses Problem hat drei schwarze Gesichter, Spahn, Merkel, von der Leyen und deren grüne Sekundanten. Zudem handelt es sich auch noch um ein Problem, das sich mit zunehmender eigener Erkenntnis und Betroffenheit im Zeitablauf signifikant verstärken wird, mindestens im laufenden Wahljahr. Und trotzdem, wir haben damit Recht, es gleichwohl aufzurufen, denn es geht hier schlichtweg um alles, nicht um grüne Eitelkeit, grünes Unvermögen, grüne Impfgegnerschaft oder irgendeine Koalitionssolidarität. Es geht um erforderlichen politischen Druck, Druck auf die beharrende CDU, Druck auf die zögerliche Industrie. Die Industrie muss nicht gefragt werden, was sie herzustellen gedenkt. Es ist politisch vorzugeben, bis wann was herzustellen ist. Der Zeitpunkt der "Herdenimmunität" und Durchimpfung ist national und international zu setzen und kann sicherlich keine Jahres- sondern muss eine Monatsfrist sein. Auf diese Weise ist die Kooperationsbereitschaft zu definieren und widrigenfalls zu erzwingen. Das ist auch keine Erfindung der SPD, sondern durch den Deutschen Bundestag beschlossene Gesetzeslage; die CDU könnte also, wenn sie denn nur wollte. Berlin braucht nicht 3.500 Impfdosen täglich, sondern eher 35.000. Die Welt braucht nicht 4 Milliarden Dosen irgendwann, sondern mindestens 10 Milliarden Dosen schnell. Eine bessere Entwicklungshilfe als eine solche europäische Seidenstraße in die Welt, ist kaum vorstellbar. Und mit Verlaub, Herr Spahn, das Kostenargument ist absurd im Vergleich dazu, was die Pandemie uns bereits gekostet hat und andernfalls noch kosten wird, wir reden über einen geringen Bruchteil.

Selbstverständlich muss sich die SPD in der Demokratie mit anderen Meinungen auseinandersetzen. Wir können es den Grünen auch nicht absprechen, sich hier unkritisch hinter die CDU zu stellen, denn taktische Wahlkampfmanöver sind nicht verboten. Allerdings muss sich niemand mit grünen Zahnstochern oder Apfelkuchen befassen und ernst nehmen muss man dieses Versagen auch nicht. Umgekehrt steht aber fest – die Grünen sollten lieber rechts liegen gelassen werden. Fehler wurden bestimmt viele gemacht, in der Vergangenheit, aber wir haben keine weitere Zeit zu verlieren und schon erst recht nicht uns an Parteien abzuarbeiten, deren Zögern und Ablehnen auf der begründeten Angst fußt, nicht hinreichend vorzukommen oder wahrgenommen zu werden.

Nur als Zwischenschritt brauchen wir die Ausrollung einer Schnellteststrategie, denn man kann ein Land nicht dauerhaft abschalten – länger als gehofft, wird es nötig sein.

Geben wir den Menschen durch schnelle Impfungen Hoffnung und Freiheit zurück.
Geben wir den Menschen durch schnelle Impfungen ihr Leben wieder.

 
 

Homepage Torsten Schneider, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin

Für Buchholz im Abgeordnetenhaus Berlin

Torsten Schneider - für Buchholz Süd und Alt- Pankow

Torsten Schneider

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